Radikales Umdenken erforderlich
Zahl der Heranwachsenden mit psychischen Problemen steigt stetig an
Die Lage ist dramatisch, das Leid zum Teil immens: Die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit psychischen Problemen nimmt weltweit stark zu, und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Ein jetzt veröffentlichter wissenschaftlicher Bericht der internationalen Expertenkommission des Fachmagazins Lancet Psychiatry[1] https://www.thelancet.com/commissions/youth-mental-health ist ein besorgniserregender Appell an Gesellschaften, Politik und Gesundheitssysteme, eine hochgefährliche Entwicklung nicht länger zu ignorieren. In einer groß angelegten Analyse werteten die Forschenden aus, dass weltweit fast 35 Prozent aller 14-Jährigen bereits eine psychische Störung – allen voran Depressionen und Angststörungen - entwickelt haben. Im Alter von 18 Jahren sind es schon mehr als 48 Prozent und bei den 25-Jährigen fast 63 Prozent.
Den Anstieg allein auf die Auswirkungen der Coronapandemie zurückzuführen, greife zu kurz. Ebenso der Verweis auf mehr Aufmerksamkeit und weniger Stigmatisierung gegenüber psychischen Erkrankungen. Im Bericht werden Faktoren wie unzureichende Maßnahmen gegen den Klimawandel, eine unregulierte und unsichere digitale Welt und soziale Medien, soziale Ausgrenzung, unsichere Arbeitsverhältnisse für die ersten Jobs, eingeschränkter Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und generationenübergreifende Ungleichheit angeführt; dies habe in vielen Ländern eine düstere Gegenwart und auch Zukunft für junge Menschen geschaffen.
Das entspricht aus Sicht des Kinderschutzbundes nicht dem Handeln einer am Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen interessierten Gesellschaft, die diese Altersgruppe in einer insgesamt alternden Gesellschaft wertschätzt und unterstützt, ihre Belange und Bedürfnisse wahrnimmt, anerkennt und entsprechend berücksichtigt. Wahrgenommen werden seitens der Jugend vielmehr Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit und Verzagtheit - statt (auch wirtschaftlicher) Sicherheit und Zuversicht.
„Es ist unser aller Aufgabe als Erwachsene, Stabilität, Sicherheit, Vertrauen und Zuversicht zu vermitteln. Damit das gut gelingt, brauchen wir ein radikales Umdenken, was das Mitdenken und die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen auf allen gesellschaftlichen Ebenen betrifft“, erklärt Sophia Schiebe, Landesvorsitzende des Kinderschutzbund Schleswig-Holstein. „Wer in jungen Jahren psychisch erkrankt, hat es erwiesenermaßen im weiteren Lebensverlauf oft schwerer. Insbesondere der psychisch hochbelastende Risikofaktor Armut findet in diesem Zusammenhang immer noch viel zu wenig Beachtung: ein ernstzunehmender Abbau von Kinderarmut gehört ganz oben auf die Agenda“, betont die neue Landesvorsitzende.
[1] Prof Patrick D McGorry, Cristina Mei, Naeem Dalal, Prof Mario Alvarez-Jiminez, Prof Sarah-Jayne Blakemore, Vivienne Browne et al.: The Lancet Psychiatry Commission on youth mental health, Volume 11, Issue 9, p. 731-774, September 2024. DOI:https://doi.org/10.1016/S2215-0366(24)00163-9