Kinderschutzbund zum Bericht zur sozialen Situation von Kin-dern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein
Es herrscht kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit!
Der aktuelle Bericht der Landesregierung zur sozialen Situation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein[1] bestätigt erneut: Hier lebt jedes fünfte Kind in Armut oder ist von Armut bedroht. Die gravierenden Folgen sind seit Jahrzehnten durch zahlreiche Studien belegt: Kinder aus armutsbetroffenen Familien haben deutlich schlechtere Bildungschancen, ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme und sind häufiger von sozialer Ausgrenzung betroffen.
„Und täglich grüßt das Murmeltier – Wie oft müssen diese erschütternden Zahlen und das ganze Ausmaß ihrer Folgen noch erhoben werden, bevor endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden“, hinterfragt die Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes Sophia Schiebe kritisch. „Politische Absichtserklärungen gibt es genug – was fehlt, ist konsequentes Handeln. Die Kluft zwischen Wissen und tatsächlicher Veränderung bleibt bestehen. Es braucht Mut und Verantwortung, um die strukturellen Ursachen der Kinderarmut endlich anzugehen“, mahnt Sophia Schiebe. Das vom Kinderschutzbund durchgeführte Beteiligungsprojekt[2] anlässlich der Kinderarmutskonferenz des Landes habe gezeigt, wie sehr Jugendliche von struktureller Armut betroffen sind. „Armut grenzt aus, Armut beschämt, Armut bestimmt den Alltag – das zeigen uns die Ergebnisse deutlich“, so Sophia Schiebe.
„Zum Abbau von Kinderarmut reichen einzelne Projekte nicht aus. Notwendig ist ein landesweit abgestimmtes, umfassendes Vorgehen. Nur durch eine armutssensible und chancengerechte Infrastruktur sowie kostenfreie Bildungsangebote von der Kita bis zur Hochschule kann der fatale Kreislauf der Armut durchbrochen werden. Es sind nicht die Kinder, die die Verantwortung für ihre Lebensumstände tragen – es ist die Gesellschaft. Ihre Aufgabe ist klar definiert: allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen und umfassende Teilhabe zu ermöglichen. Geredet wurde darüber genug – es ist endlich Zeit, zu handeln“, konstatiert die Landesvorsitzende Sophia Schiebe.
Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein fordert seit langem eine klare politische Strategie, um Kinderarmut wirksam und nachhaltig zu bekämpfen. Das Land muss seinen Handlungsspielraum voll ausschöpfen und eine umfassende Landesstrategie entwickeln und umsetzen. Dazu gehören:
- Lernmittelfreiheit: Alle für den Schulalltag benötigten Materialien, einschließlich digitaler Endgeräte, müssen kostenfrei bereitgestellt werden.
- Kostenfreie, qualitativ hochwertige Kitas: Frühkindliche Bildung und inklusive Förderung müssen allen Kindern offenstehen.
- Ganztag für Grundschulen: Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung muss kinderfreundlich gestaltet werden, inklusive eines gesunden und kostenfreien Mittagessens; gesetzlich festgelegte Mindeststandards sind erforderlich.
- Armutssensible Infrastruktur: Bildung, Freizeit, Sport und Kultur müssen landesweit und dauerhaft – insbesondere in sozial und wirtschaftlich benachteiligten Quartieren – gestärkt und finanziert werden, getragen von Land und Kommunen.
[1] Landtags-Drucksache 20/2993
[2] Landtags-Drucksache 20/2993 (Berichtsteil B - „Eine Frage der Perspektive?!“ Projektbericht des Kinderschutzbundes)